Interview mit BfS-Präsident König über Gesundheitsrisiken des Mobilfunks

Herr König, lassen Sie ihr Handy beim Autofahren eingeschaltet?

Wenn möglich, schalte ich es ab. Zum Glück hat mein Dienstwagen eine Außenantenne. Die Karosserie eines Autos wirkt nämlich wie eine Barriere für Funkverbindungen. Damit sie überwunden wird, steigern Handys automatisch ihre Sendeleistung. Gerade dieser erhöhten Strahlenbelastung sollte man sich möglichst nicht aussetzen.

Haben Sie Angst, Mobilfunkstrahlung könnte Krebs auslösen?

Nein. Wenn ich aber längere Zeit in einem Auto ohne Außenantenne telefoniere, fühle ich mich unwohl.

Es ist also keine Panikmache, wenn Bürgerinitiativen vor möglichen gesundheitlichen Schäden durch Handystrahlung warnen?

Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass mobil telefonieren Gesundheitsgefahren in sich birgt. Die gültigen Grenzwerte sind ausreichend, um nachgewiesene Gefahren zu vermeiden. Es ist dennoch richtig, sich über Risiken möglichst frühzeitig Gedanken zu machen. Schließlich reagieren manche Menschen auf Strahlungsquellen sehr empfindlich. Zudem haben wir immer noch viel Unsicherheit in der wissenschaftlichen Bewertung, wenn es um mögliche gesundheitliche Gefahren von hoch frequenter elektromagnetischer Strahlung geht.

Welche Anhaltspunkte gibt es denn dafür, dass Handy-Strahlung gefährlich sein könnte?

Es gibt thermische Wirkungen, die belegt und bekannt sind. Und es gibt weitere biologische Effekte. Zum Beispiel wurden veränderte Hirnströme beobachtet. Auch eine gestiegene Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke führen einzelne Forscher auf Handys zurück.

Können solche Effekte zu Augen-, Lymphdrüsen- oder Blutkrebs und anderen Krankheiten führen, wie Kritiker befürchten?

Solche Fragen müssen dringend beantwortet werden. Wir haben im Juni ein erweitertes Forschungsprogramm unter anderem zu Wirkungsmechanismen und zur Messung hoch frequenter Strahlung gestartet, an dem Wissenschaft, Umweltverbände sowie die Vertreter von Ländern und Industrie gemeinsam mitwirken sollen. Wir sollten aber aus Gründen der Vorsorge schon jetzt damit anfangen, alle vermeidbaren Strahlenbelastungen auszuschließen. Schließlich möchte ich verhindern, dass uns in zehn Jahren vorgeworfen wird, wir hätten trotz Hinweisen auf mögliche Risiken nur nach den ökonomischen Interessen der Mobilfunkindustrie entschieden.

Mit welchen Maßnahmen wollen Sie denn vorsorgen?

Durch die Festlegung bestimmter technischer Standards sowie einer umfassenden Aufklärung der Bevölkerung. Es wird ja heute meist gegen neue Mobilfunksender protestiert. Dabei trägt zur Strahlenexposition entscheidend das Handy selbst bei. Das sendet zwar mit geringerer Leistung, aber direkt am Ohr.

Masten strahlen aber dauernd!

Deshalb muss es zu mehr Information vor dem Aufstellen von Mobilfunksendern kommen. Die Bevölkerung ist sensibler geworden. Die rund 40 000 Sendestationen, die für die neuen UMTS-Mobilfunknetze hinzukommen, werden nicht mehr widerspruchslos hingenommen. Die Menschen wollen vorher wissen, welche Risiken damit verbunden sein können.

Was schlagen Sie vor?

Es geht vor allem darum, Transparenz herzustellen. Dazu gehört, dass jedes Handy einen Hinweis zur Strahlenbelastung erhält.

Reicht es, diesen Hinweis auf die Verpackung zu drucken?

Mir erscheint es sinnvoller, die Kennzeichnung auch auf den Geräten selber anzugeben. In Sachen Sendeanlagen haben die Netzbetreiber zu spät erkannt, welche Diskussion durch die Installation vieler Masten losgetreten wurde. Die Industrie hätte viel früher - so wie es jetzt endlich vereinbart wurde - die Kommunen in die Standort-Festlegung einbinden müssen.

Das klingt nach institutionalisierten Genehmigungsverfahren wie beim Atomkraftwerksbau.

Nein. Man muss so etwas nicht gesetzlich regeln. Es können auch freiwillige Verfahren sein, die allerdings bei Nichtachtung vorher festgelegter Standards zu Konsequenzen für die Mobilfunkfirmen führen müssen. Auf jeden Fall muss Transparenz für die Menschen geschaffen werden. Das ist versäumt worden und führt nun dazu, dass die Konzerne mit einem riesigen Aufwand entstandenen Ängsten begegnen müssen.

Wenn jetzt neben Ihrem Haus ein Mobilfunksender errichtet werden soll: Was würden Sie tun?

Wie jede Privatperson würde ich alles daran setzen, Informationen über die Sendeleistung vom Betreiber der Anlage zu erhalten. Danach würde ich mir meine Meinung bilden. Dafür müssen vereinfachte Informationszugänge geschaffen werden.

Die beste Vorsorge ist immer noch der Widerspruch gegen eine solche Anlage.

Viele Betroffene gehen gegen diese Anlagen vor. Deswegen ist es ja auch für die Netzbetreiber so wichtig, mit den Kommunen vorab über den besten Standort zu diskutieren. Standortentscheidungen dürfen sich künftig nicht mehr allein an den ökonomischen Interessen der Industrie ausrichten. Zudem halte ich es unbedingt für erforderlich, dass bestimmte Standorte vermieden werden.

Welche?

Ich halte es für notwendig, Standorte zu vermeiden, die bei Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern zu erhöhten Feldern führen.

Sind denn Kinder besonders gefährdet?

Kinder befinden sich noch in der Wachstumsphase und reagieren deshalb gesundheitlich empfindlicher. Wir haben hier eine besondere Verpflichtung zur Vorsorge. Ich halte es deshalb auch für dringend erforderlich, dass die Mobilfunknetzbetreiber ihre Marketingstrategien überprüfen, mit denen sie gerade Kinder als Kunden gewinnen wollen. Ich glaube, die Unternehmen könnten dauerhaft mehr Kunden binden, wenn sie etwa die Empfehlung aussprächen, dass Kinder unter 16 Jahren möglichst wenig mit Handys telefonieren sollten.

Solchen Empfehlungen wird die Industrie kaum folgen!

Die Glaubwürdigkeit der Mobilfunkindustrie wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen und die Kritiker stärker einzubinden. Dazu ist es wichtig, dass die Industrie Mittel für unabhängige Forschung bereitstellt und die Information über potenzielle Risiken unabhängigen Stellen überträgt.

Moralische Appelle sind ja immer schön anzuhören. Aber welche Druckmittel haben Sie?

Druckmittel muss die Politik bereitstellen. Die Bundesregierung diskutiert ja bereits über eine Novellierung der Bundesimmissionsschutz-Verordnung. Im Übrigen werden die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen ständig mit diesen Problemen konfrontiert.

Ihr Amt ist dem Bundesumweltministerium unterstellt. Hat Minister Jürgen Trittin nicht schon einen Anruf von seinem Kabinettskollegen Hans Eichel erhalten? Schließlich hat der Bundesfinanzminister 100 Milliarden Mark für die UMTS-Mobilfunk-Lizenzen kassiert. Dass die Netzbetreiber nun neue Auflagen akzeptieren, ist da kaum vorstellbar!

Mit dem Verkauf der Lizenzen sind die Netzbetreiber nicht von ihrer Verpflichtung entbunden, eine risikoarme Technologie zu verwirklichen.

Welche Schutzmaßnahmen empfehlen Sie Handynutzern?

Generell Telefonate mit dem Handy möglichst kurz halten. Autofahrern würde ich dringend raten, in Wagen ohne Außenantenne ganz aufs Telefonieren zu verzichten. Zudem sollten Eltern ihre Kinder möglichst von dieser Technologie fern halten.

Nichtraucher werden immer vor den Gefahren des Passivrauchens gewarnt. Gibt es das bei Handys auch? Sollten etwa Restaurants Handy-freie Zonen einrichten?

Allein aus Gründen der Lebensqualität und des Genusses würde ich das dringend empfehlen.

Das Gespräch führten Hendrik Munsberg und Thomas H. Wendel

Zurück